Mittwoch, 11. Juli 2012

Rezension: "Ohnegrund"


Amy geht nach Tel Aviv, um zu studieren. Sie ist die vernachlässigte Tochter zweier Künstler in London. Amy heißt eigentlich Emily, und so viel, wie von ihr erwartet wird, kann sie gar nicht leisten. Daher beschließt sie, gerade in Tel Aviv angekommen und außer Reichweite ihrer Eltern, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie verliebt sich in den jungen, idealistischen Israeli Nimrod, die beiden heiraten und bekommen eine Tochter, Sharona. So groß ihre Liebe ist, so groß ist jedoch auch Nimrods Idealismus als Sozialarbeiter. Amy nimmt tatenlos hin, dass Nimrod seine Ziele mit Hingabe verfolgt und sie und Sharona zurücklässt. Zehn Jahre später: Amy ist alleinerziehende Mutter in London. Sie ist unglücklich. Was im Leben ihres Mannes passiert ist, was ihrem Vater zugestoßen ist, das möchten Amy und Sharona ergründen, doch tut es jede für sich selbst. Erst durch das Einfühlungsvermögen von Amys Tante Lisa gelingt es, die beiden ein wenig näher aneinander und auch an die Wahrheit heranzuführen. via

Keine 200 Seiten umfasst dieses Buch. Und doch steckt darin eine sehr umfangreiche Geschichte. Eine sehr Berührende noch dazu. "ohnegrund" erzählt die Lebensgeschichte von Emily, genannt Amy, die Tochter von zwei beschäftigten Künstlern. Mit 20 beschliesst Amy, nach Tel Aviv, Israel, zu gehen und dort ein neues Leben zu beginnen. Dies gelingt ihr auch, sie verliebt sich, heiratet und bekommt eine Tochter. Dieser Lebensabschnitt, der 1999 spielt, wird im Buch erzählt. Aber das ist nur ein Teil der Handlung. Der zweite Lebensabschnitt, im Jahre 2009, kommt auch im Buch vor, sodass man Amy 1999 und 2009 begleitet. Was dazwischen passiert ist, kann man sich durch Erzählungen selbst erschliessen.

Die Erzählweise ist simpel, aber auch ziemlich distanziert. Es erzählt ein neutraler Er-Erzähler, sodass man kaum eine Chance hat, zu einer Person eine Bindung aufzubauen. Es kommen einige Personen in dieser Geschichte vor und ich finde, dass sie sehr gut ausgearbeitet sind, denn obwohl man als Leser nicht allzu viel Zeit mit ihnen verbringt, kann man sie problemlos auseinander halten und ihnen Charaktereigenschaften zuteilen. Außerdem hat jede Person einen Hintergrund, eine Geschichte, die dem Leser - wenn auch versteckt - erzählt wird. Das fand ich sehr schön, denn so lernt man jeden Charakter besser kennen.

Die Haupthandlung spielt in Israel, in der Hauptstadt Tel Aviv. Dies war das erste Buch, das ich gelesen habe, welches in Israel spielt. "Ohnegrund" nimmt den Leser gefangen und entführt ihn nach Tel Aviv, in eine fremde Kultur, zu interessanten Menschen. Und nach 192 Seiten schlägt man das Buch zu und fühlt sich entspannt, ganz so, als ob man selbst gerade Urlaub in Tel Aviv gemacht hätte. Was ich damit sagen will; die Autorin schafft es, eine ganz bestimmte Atmosphäre wiederzugeben, sodass man keinerlei Probleme hat, sich in das Land bzw. in die Kultur einzufinden. Hat man das Buch gelesen, hat man Israel und Tel Aviv kennen (und vielleicht sogar lieben) gelernt. Großartig!

Die Thematik des Buches ist nicht einfach, ziemlich ernst und auch dramatisch. Zu lachen gibt es eigentlich nicht viel, doch die Autorin schafft es immer wieder, den Leser durch Situationskomik zum schmunzeln zu bringen und die Atmosphäre aufzulockern. Das Buch liest sich deshalb auch sehr angenehm und wirkt kaum bedrückend auf den Leser. Außerdem endet das Buch ziemlich abrupt, doch die wichtigsten Fragen sind geklärt. Der Leser darf sich die Geschichte selbst weiterdenken, aber schlimm ist das nicht.

Als kleines Extra gibt es am Anfang jedes Kapitels eine Wetterverhersage. Anfangs war ich sehr verwirrt, denn diese Vorhersagen hatten nichts mit der Geschichte zu tun und als schließlich die Auflösung kam, war ich sehr überrascht. Wirklich schöne Idee. Außerdem gibt es auf den letzten zwei Seiten ein Glossar, in dem jüdische Bezeichnungen erklärt werden. Kann man sich auch während des Lesens zur Hilfe nehmen, denn es spoilert nicht.

"Ohnegrund" vereint viele Themen miteinander, wie Freundschaft, Familie, Liebe, jüdische Kultur und noch einige andere. Das passiert auf eine sehr harmonierende Art und Weise, ich habe mich nie überfordert von den ganze Eindrücken gefühlt, sondern habe mit Amy mitgelitten, denn dieses Buch weiß nicht nur zu unterhalten, sondern auch zu berühren. Hat man die letzte Seite gelesen, fühlt man sich irgendwie anders als vorher. Ruhig, auch ein wenig traurig, aber gleichzeitig gut. "Ohnegrund" ist ein Juwel, das viele, viele, viele Leser verdient.

"Ohnegrund" ist ein wunderbares Buch über die Kunst des Lebens, über Familiezusammenhalt, über unerwartete Liebe und über die jüdische Kultur. Lasst euch auf die Reise nach Tel Aviv ein und geniesst diese berührende Geschichte. Es lohnt sich. Große Empfehlung von mir und 8 Punkte (von 10). Dieses Buch sollte man nicht verpassen.


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